Es gibt eine Reihe von Grenzen die das Handeln eines Fotografen reglementieren, von der Straßen Perspektive über die Persönlichkeitsrechte bis zur Kunst hat der Gesetzgeber so manches geregelt. Kulturelle Gegebenheiten, der gute Geschmack und die Höflichkeit beeinflussen ebenfalls auf die eine oder andere Art. Doch was kann getan werden wenn ein gutes Motiv verlangt die Grenzen des erlaubten zu überschreiten.
Die Grenzen dessen was ein Fotograf tun muss liegen manchmal über dem erlaubten. Sicherlich hat diese nahezu jeder Fotograf schon einmal Überschritten. Viele Lost-Place-Fotografen haben dies schon beim Fotografieren in abgesperrten Bereichen, oder alten vom Verfall bedrohten Gebäuden und Industriegeländen getan. Ein Beispiel hierzu ist in meiner Galerie Natur & Technik zu sehen.
Ein weiterer Aspekt ist das Eindringen in die Persönlichkeit eines Menschen, wenn dieser in einem sehr persönlichen, emotionalen oder intimen Moment fotografiert wird. Ist dies erlaubt? Dieser Frage musste ich mich vor kurzem bei zwei völlig unterschiedlichen fotografischen Themen stellen.
Ich suchte meine Motive innerhalb eines Bergbaugeländes. Nach einer Recherche ermittelte ich das zwei Bagger eines Tagebaus zugänglich fotografiert werden konnten. Ich beschloss hierzu imposante Nachtaufnahmen zu machen. Eine Erkundung bei Tageslicht zeigte mir die optimalen Perspektiven, ich fuhr mit meinem Auto direkt in das Tagebaugelände hinein und parkte 10m vor einer Schranke nach der die Bergbaukante endete. In diesem Moment kam ein Geländewagen des Wachschutzes, der Wachmann öffnete die Schranke und kam auf mich zu. Wie völlig selbstverständlich packte ich Stativ und Kamera aus, setzte das gewünschte Objektiv auf und nickte nur kurz dem Wachmann zu. Dann ging ich mit forschem Schritt an ihm und seinem verdutzten Gesicht vorbei in Richtung des Baggers der empor ragte. Frechheit siegt dachte ich mir grinsend.
Ich war zu einer Hochzeit eingeladen und nahm mir vor dort nichts zu fotografieren. Ich mag einfach keine Hochzeitsfotografie. Jedoch am Tag der Feier nahm ich mir meine kleine alte Olympus mit um ein paar Schnappschüsse der Location zu machen. Ich wusste dass es sich um ein altes Gehöft aus den achtzehnten Jahrhundert handelte, sicherlich gab es dort lohnende Beute für mein Objektiv. Wir kamen an und durchritten einen steinernen Steinbogen durch eine alte Holztür und kamen in einen Innenhof. Sofort war ich von diesem Ort verzaubert, alte Pflastersteine, steinerne Gebäude die ihr alter ausstrahlten und romantisch wirkten. Überladen von Krimskram war dieser Ort, durchdrungen von den über hundert Menschen der Hochzeitsgesellschaft.
Ich begann sogleich zu fotografieren was ich sah. Nach der Trauung im Freien drang die Sonne durch die lichte Wolkendecke und ich sah durch meinen Sucher Menschen die vor Freude lachten, vor Trauer weinten, Glück und Freude. Ich suchte und fand all die Emotionen, ohne zu fragen hielt ich diese in einem zwei Stunden währenden Flow fest. Ich wartete und drang in die intimsten Momente ein, spürte sofort welche Bild perfekt war und welches nicht.
Als ich meine Bilder auswertete war ich von den Ergebnissen fasziniert. Die Bilder der Hochzeit waren unglaublich. Es war mir gelungen die Stimmung und Emotionen ebenso wie den Zauber des Ortes einzufangen. Jedoch waren Bilder dabei in denen der Verlust einen geliebten Menschen beweint wurde und vieles emotionales mehr. Dies berührte mich auf die Art zu der ich während meines fotografischen Flows nicht fähig war. Ich beschloss hiervon nichts zu veröffentlichen, sondern ein Fotobuch zu erstellen und dies meinen Gastgebern zu schenken.
Die freche und dreiste Selbstverständlichkeit mit der ich den verdutzten Wachmann zurücklies erschien mir nach dem Betrachten und auswerten der zugehörigen Bilder berechtigt gewesen zu sein. Zumindest rechtfertigte ich mein unerlaubtes Eindringen selbst damit.
Es lohnst sich mitunter Grenzen zu überschreiten, denn oftmals liegt das Motiv hinter diesen. Wer den Mut und die Frechheit besitzt dies zu tun sollte jedoch mit den Ergebnissen sorgsam umgehen. Ich glaube das nicht alles was möglich erscheint auch getan werden muss. Für mich waren diese Grenzüberschreitungen stets eine wichtige Erfahrung. Vielleicht hat der eine oder andere meiner Leser bereits ähnliche Erfahrungen gemacht.